… damit das Denken sich ändern kann.

Dieser Satz von Francis Picabia hat mich immer schon fasziniert. Er trifft es genau:
Da wir denken können, haben wir auch die Verantwortung und Verpflichtung, es zu tun.

In Zeiten, in denen alles anders ist, als wir es bisher gewohnt waren, wo vieles, was wir als selbstverständlich gar nicht mehr wahrgenommen haben, auf neue Weise bedeutsam wird, haben wir Gelegenheit, uns zu besinnen, zum Wesentlichen zu kommen.

Der meist religiös im Sinne von “Buße” gebrauchte Begriff “Metanoia” trifft es genau:
Um-Denken, es anders machen als bisher, sich etwas bewusst machen …

Der altgriechische Tragödiendichter Sophokles hat viel über den Menschen nachgedacht und die Ambivalenz der Eigenschaften und Verhaltensweisen dargestellt.
Im berühmten zweiten Chorlied der Tragödie “Antigone”, noch vor der Entfaltung des zentralen Konflikts, lässt Sophokles die alten Männer aus Theben seine Ansicht vom Wesen des Menschen aussprechen:

πολλὰ τὰ δεινὰ κοὐδὲν ἀνθρώπου δεινότερον

“deinos” bedeutet Gutes wie Böses:
schreckenerregend, schrecklich, fürchterlich, furchtbar

überaus stark, gewaltig
geschickt, gewandt

Hier wird es mit “gewaltig” übersetzt.

Friedrich Hölderlin hat es deutlicher formuliert:

“Ungeheuer ist viel. Doch nichts
Ungeheuerer als der Mensch.”

Auch “ungeheuer” ist ambivalent:
groß, großartig, zu vielem fähig
grässlich, schrecklich, furchterregend

In König Davids Psalm 8, 5 und 6 wird Ähnliches gesagt:

Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst,
des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?
Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott,
hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.


 

Sophokles: “Antigone”

(4. Jhd. vuZ)

“Ungeheuer ist viel. Doch nichts
Ungeheuerer, als der Mensch.

“Vieles Gewaltige lebt, und doch
Nichts gewaltiger denn der Mensch.”

Der Seefahrer und Eroberer

Weil auf dunkle Flut der See, von Südstürmen umhergedrängt,
Tritt er des Wogengetoses empörten Schwall hindurch.

Der Bauer und “Mutter Erde”

Die Erde selbst, der Götter höchste,
Nimmer zu tilgende, nie zu ermattende, müht er mit kreisendem Pflug,
Mit der Rosse Geschlecht, von Jahr zu Jahr sie wendend.

Der Jäger zu Land und zu Wasser

Flüchtig gesinnter Vögel Art führt umstellend er leicht davon,
Auch im Walde des Wildes Volk
Und durch Meere das Seegeschlecht in netzgesponnenen Kreisen,
Der witzbegabte Mensch;

“Witz” hatte früher die Bedeutung von “Verstand, Klugheit.
Heute haben wir noch das Wort “gewitzt” im Sinne von “schlau, geschickt”.

Der Bezwinger der Tiere

Bezwingt auch, klug gestellt, der Waldkluft bergebeschreitendes Wild;
Und die mähnigen Rosse bedrücket er durch das umhalsende Joch
und selbst den freien Bergstier.

Der Politiker

Und Red und des luftigen Sinns Gedanken erlernet er,
und staatlenkende Weisen … Ratgeübt.

Tod und Krankheit

Ratentblößt betrifft ihn nimmerdar das Künftge.
Nur Hades – den Tod – auch hat er nicht zu fliehn erlangt;

Doch vor harter Krankheit schwere Flucht ausgesonnen.

Mit listiger Künste Geschick
Auch über Verhoffen begabt,
Tritt bald er zum Argen und Guten hin.

Sieh, er pflegt des Landes Satzung und eidheilges Recht ehrenvoll;
ehrentblößt s
ei, wer, dem Edlen nicht gesellt, mit Trotz Frevel übt.

Nimmerdar an meinen Herd gelangt er noch in meinen Rat,
tut er solches.